Das Leben
des Bogomil
Eine weitere Nacht hat sich über den Wäldern von Britain ausgebreitet und nur eine kleine, flackernde Kerze kündet vom Vorhandensein eines Lebewesens in dieser recht ruhigen, meist sogar verlassen wirkenden Gegend vor der Hauptstadt.

Diese Kerze steht auf einem kleinen Schreibpult. Dieses wiederum hat seinen Platz natürlich nicht einfach im Wald, sondern im Zimmer eines größeren Hauses. An einer Wand befinden sich zwei Bücherregale, die mit allem möglichem gefüllt sind. Außer verschiedenen handschriftlichen Werken- z.B. "Über die Kunst des Krieges", welches gleich aus mehreren Bänden besteht, oder "Das Wesen eines Menschen" oder "Leitfaden für Magier" und vieles mehr- werden dort auch uralte Waffen, Werkzeuge und Kleidungsstücke gelagert. Die Klingen sind fast alle von Rost zerfressen, die Werkzeuge sehen eher wie Museumsstücke denn Gebrauchsgegenstände aus, und in den Kleidern fühlen sich nur noch die Motten wohl.
Das ganze Haus befindet sich in ähnlichem Zustand. In den übrigen zwei Zimmern ist alles gespenstisch grau- auf den ersten Blick könnte man meinen, das Dach sei undicht, und es hätte hineingeschneit. Dabei ist es nur Staub, der sich auf Stühlen, Tischen und Regalen zu millimeterstarken Schichten angehäuft hat. Stellenweise liegen Gerüche in der Luft, deren Ursprung man besser nicht kennen möchte. Und doch kommt ab und zu jemand hierher, wie man an den Spuren im Staub sehen kann. Sie schlängeln sich von der Eingangstür her am großen Tisch mit dem Dutzend Stühlen vorbei, auf denen vor langer Zeit einmal gelehrige Schüler saßen- (Mal mehr, mal weniger; worauf sich dieses bezieht, sei dem Leser überlassen.)-, bis in das kleine, erleuchtete Arbeitszimmer hinein.

Dort sitzt dieser Jemand in einem roten Ledersessel am Pult. Man könnte ihn wegen seines wilden Haarwuchses für die klassische Karikatur eines Gelehrten oder eines Magiers halten...., aber er ist wohl doch keines von Beidem. Zum einen sind Haare und Bart noch schwarz, zum anderen hat die Gesamterscheinung wohl mehr Ähnlichkeit mit einem wilden Bären, der sich das Haus als Wohnhöhle auserkoren hat. Allerdings stört dabei ein wenig das Funkeln unzähliger Metallnieten auf seinem Oberkörper, denn das sind Bestandteile einer beschlagenen Lederrüstung. Also auch kein Bär, wenn auch die Maske eines solchen, die er auf dem Kopf trägt, hervorragend in dieses imaginäre Bild hineinpasst.

Vor ihm auf dem Tisch liegt ein aufgeschlagenes Buch mit noch leeren Seiten, zur linken flankiert von der Kerze, zur rechten von einem Tintenfass mit ausgefranstem Federkiel.

Der Mann sitzt da und tut gar nichts. Er hat die Augen geöffnet- kaum zu sehen bei den vielen Haaren!-, also schläft er nicht. Er starrt mehr mit einem verträumten Blick auf das Buch, vielleicht auch in das Buch hinein..., in die leeren Seiten, als sehe er dort etwas, was nur er sehen kann.

'Manche Dinge ändern sich nie, manche Menschen aber schon.'

Manchmal- diese sehr relative Zeiteinheit kann man an der Kerze messen, die beständig flackert und langsam aber sicher herunterbrennt- raschelt es in den Ecken der anderen Räume, was sogar durch die geschlossene Tür sehr gut zu hören ist, ebenso wie die kleinen trippelnden Füße auf den Dachziegeln oder das leise Knirschen der Lederrüstung, wenn sich der Mann kaum merklich bewegt.

'Das Haus ist dasselbe geblieben über all die Jahre. Ein stummer Zeuge vergangener Zeiten. Uralt, geduldig... weise. Ja, weise, denn manchmal ist es, als würde es sprechen, als wolle es sich mitteilen mit seinen knarrenden Bodendielen und Dachbalken. Und ja, man kann es sogar verstehen, wenn man sich Mühe gibt. Es erzählt von sich und seinen Bewohnern, von den Menschen, die es erbaut haben und von den Tieren, die an ihm vorbeiliefen. Es kann das Wachstum der Bäume und Gräser schildern, die sich um es herum ausbreiten, und wegen seiner Vergangenheit und seines Verwendungszweckes kann es sogar Geschichten über Land und Leute erzählen, Wissen vermitteln über das Reich, über Könige, über das Leben der Völker. Das Haus hat wohl all die Bücher auswendig gelernt, die in seinen Regalen liegen, und es hat aufmerksam all den Worten gelauscht, die in ihm gesprochen wurden. Vielleicht kann es sogar Gedanken lesen... wer weiß?

Man muss sich nur hier hinsetzen, auf diesen Stuhl, man darf an nichts denken, muss alle Ängste und Sorgen vor der Haustüre zurücklassen. Am besten kommt man des nachts, denn dann kann man besser hören wie es spricht, und vielleicht sieht man auch den großen Mann mit dem roten Rauschebart und den langen roten Haaren, der eine Vorliebe hatte für den Männerrock, den Kilt. Er war der Lehrer hier, denn eine Schule war das Haus. 'Akademie des Lebens' hat man sie genannt, es steht noch immer draußen auf dem Schild. Ein etwas hochgestochener Name, denkt man doch bei Akademie eher an ein riesiges Gemäuer voll plappernder Studenten wie die Schule der Magier auf Magincia. Das hier ist nur ein einfaches Drei-Raum-Haus, und viele Schüler sind hier auch nie gewesen. Einige kann man aber immer noch sehen, wenn man hier sitzt und die Tür zum Lehrraum offen lässt... geisterhafte Schemen an dem großen Tisch, manche kaum zu erkennen, andere so deutlich, als wären sie wirklich gerade hier.

Man hört auch wieder IHN, den Lehrer, der immer an der Stirnseite des Tisches stand- nicht sichtbar von hier. Killian Dorgat war sein Name, und immer trug er diesen Kilt. Eine laute, mächtige Stimme hatte er. Die musste er auch haben, denn obwohl die Schüler durchweg erwachsene Leute waren, so alberten sie doch oft herum. Ja, da war sogar einer- manchmal sah man ihn mit blonden Haaren, manchmal gar mit Glatze-, der brachte immer Alkohol in die Schule mit und verleitete andere zum Trinken. Das war ein lustiger Mensch, und irgendwie ist es seltsam, dass sein Schatten dort draußen am Tisch so blass und gleichzeitig so dunkel ist. Er sei dem Bösen anheimgefallen, meint das Haus, und das erklärt es natürlich. Es weiß jedoch nicht, was aus ihm geworden ist, weiß nur noch, dass er ein Abenteurer und Schmied war und Kenolin hieß.
Auch Gallistro ist ein sehr schwacher Schemen, ebenso wie die kleine, untersetzte Gestalt, die wohl ein Zwerg sein muss. Von ihm fehlt gar der Name. Ganz anders dagegen der schlanke, flinke Kerl, der neben Kenolin sitzt! Wie Pech und Schwefel waren die Beiden, ein Herz und eine Seele, wie Licht und Schatten. Ja, das letztere passt am besten. Kenolin nur noch ein Schatten- Conradius noch immer klar zu erkennen. Damals sah er jünger aus, aber er war trotzdem schon ein Waldmann und genauso stur und eigensinnig, wie er es heute noch ist. Das Haus weiß viel über Conradius, aber am meisten wohl über den jungen Mann, der ihm gegenüber sitzt und eifrig mit Kenolin um die Wette trinkt.

Dieser war einst aus einem fernen Fischerdorf gekommen, das wie viele andere Siedlungen kaum von großer Politik berührt wurde. Für die meisten Menschen dort endete die Welt nach etwa sieben Wegstunden in irgendeine Richtung, denn man brauchte auch sieben Wegstunden, um ins Dorf zurückzukommen und dann wollte man ja auch noch etwas schlafen.... Nicht, dass es überhaupt einen Grund gegeben hätte, das Dorf zu verlassen! Die Zeiten waren ruhig und friedlich; man ging seinem geregeltem Tagesablauf nach, der keinerlei Zwängen unterlag. Auch als er fünf Jahre alt war und zum ersten Mal mit seinem Vater auf See hinausfuhr, hatte sich kaum etwas geändert. Er empfand die typische Freude und Aufregung, die fünfjährige Knirpse eben empfinden, wenn sie in einem kleinen Boot auf den Wellen schaukeln und beim Einholen der Netze helfen dürfen- es könnte sich ja ein sagenhafter Schatz darin befinden! Ein Jahr später war er schon fest in den Arbeitstag integriert, und noch ein Jahr später war er bereits davon überzeugt, eines Tages der größte Fischer aller Zeiten zu werden!

Irgendwann zu dieser Zeit geschah es, dass sich das Pferdegespann eines Händlers in das Dorf verirrte. Für ihn war es beinahe eine Sensation; er hatte noch nie einen Menschen von "außerhalb", wie man es nannte, gesehen! Der Mann erzählte, dass er sich wirklich verirrt habe, doch er freue sich, auf so freundliche Menschen gestoßen zu sein. Was er wohl nicht ahnen konnte, und was auch dem neugierigen Jungen erst viel später klarwurde, war, dass sein unfreiwilliger Besuch verheerende Auswirkungen auf das Leben im Dorf hatte.

Es fing alles ganz harmlos an: der Händler kam in der Folgezeit öfters vorbei, kaufte überschüssigen Fisch oder tauschte ihn gegen andere Waren. Doch ganz besonders genoss er das Interesse der jungen Zuhörer, die es über alles liebten, sich am Abend um ihn zu versammeln und seinen Geschichten zu lauschen. Er berichtete von fremden Ländern und fremden Menschen, deren Sitten ganz anders waren als die ihren. Er erzählte von ihren Kulturen, ihren Schätzen und ihrem Leben. Er beschrieb die Landschaften, die er gesehen hatte: große, grüne Savannen, über die der Wind sanft dahinstrich, so dass es aussah, als würde er Wellen aus Gras vor sich hertreiben; riesige Gebirge, auf deren Gipfeln Schnee und Eis in der Sonne funkelten; weite Täler, durch die sich kleine Bäche oder große Flüsse schlängelten; endlose Wüsten, deren Sanddünen von einem Ort zum anderen wanderten und wo der Wind alle Spuren beseitigte, so dass man sich hoffnungslos verirren konnte. Er erzählte auch von seltsamen Tieren, die aussahen wie Fabelwesen, mit großen schlanken Beinen und Hälsen, so dass sie Blätter von den Bäumen reißen konnten; riesigen Katzen mit gestreiftem Fell; grauen, dickhäutigen Kolossen, die die Kraft von zehn Pferden hatten und Schlangen, die Rehe in einem Stück verschlingen konnten.

Immer dann, wenn der freundliche Händler solche Dinge erzählte, war der Junge am Abend aus dem Dorf gelaufen, auf einen Hügel gestiegen und hatte sich umgesehen. Er hatte eine große, unberührte Landschaft gesehen, von der Abendsonne in ein rötliches Licht getaucht. Auf der einen Seite das endlose Meer, auf der anderen Wälder, die sich bis zum Horizont erstreckten. Breite Auen, von Flüssen durchzogen, durchbrachen diese Wälder. Er hatte Rehe gesehen, die auf diesen Wiesen friedlich ästen, Bussarde, die am Himmel ihre Kreise zogen und Füchse, die durch das Gras schlichen. Manchmal hatte er auch Wölfe heulen hören, und immer, wenn er daran zurückdachte, erinnerte er sich auch daran, dass er seine Gänsehaut als schön empfunden hatte.
Von nun an dachte er jeden Tag, der verging, daran, dass es eine Welt außerhalb des Dorfes gab. Eine Welt, die auf ihn wartete.

Und im Laufe der Jahre wurde aus der Lausbubenphantasie, wie sie der Vater zunächst nannte, eine Notwendigkeit, denn das Dorf veränderte sich zusehends. Nach dem Händler kamen Menschen aus anderen Gegenden, um sich an der Küste niederzulassen. Sie bauten ihre eigenen Häuser und ihre eigenen Boote. Sie lernten, das Meer zu nutzen, und als sie es konnten, benutzten sie es, um ihre Reichtümer zu mehren....

Die Häuser wurden größer, bis dahin kaum gekannter Luxus machte sich breit. Und mit dem Luxus kamen Neid und Mißgunst, aus Nachbarn wurden Konkurrenten. Große Familien wurden mächtig, kleine Familien hatten ihre Not, über die Runden zu kommen. Ganze Fischereiflotten befuhren nun das Meer, und nicht selten standen sie im Dienste eines Einzelnen.

Es dauerte zwar lange, doch schließlich sah auch der Vater des mittlerweile jungen Mannes ein, dass das Leben an diesem Ort keinen Sinn mehr hatte. Er sagte, er wolle ihn nicht länger halten. Zwar würde es schwer werden, alleine noch genug Fisch zu fangen, um wenigstens zu überleben, und vermutlich wäre es sogar am besten, wenn man sich in den Dienst eines der neuen Nachbarn stellte. Doch solch eine Knechtschaft wolle er seinem Sohn nicht zumuten.

Und so reiste der junge Mann mit dem altbekannten Händler nach Britain, wo er erfolglos versuchte, sein erlerntes Handwerk fortzuführen. Man brauchte im Königreich keine Fischer, da Fisch wohl von überall billig importiert wurde. Und wenn die Bürger eine frische Forelle statt der stinkenden aus den Läden wollten, dann angelten sie sich selbst eine. Das waren harte Zeiten, aber schnell stellte der enttäuschte Bursche fest, dass es durchaus Gewerbezweige gab, die ständig Nachwuchs brauchten. Und so fing er an, vor der Hauptstadt Holz zu schlagen. Schon bald traf er dort auf interessierte Kunden, die ihn sofort in ihre Dienste stellten. Wie er später noch erfuhr, handelte es sich dabei um bedeutende Persönlichkeiten, die einmal eine große Gilde gründen würden: Misfit und Galen.

Auf Empfehlung eines Paladins kam er schließlich zur "Akademie des Lebens", wo er eine lange Zeit als Schüler blieb. Das war wohl die Blütezeit der Akademie, und er durfte sie miterleben. Ja, das Haus ist dasselbe geblieben, nur die Schüler haben sich verändert. Nichts währt ewig.

Eines Tages waren schließlich alle fort- einige hatten auch eine Urkunde mitgenommen-, und dann wurde es sehr still in dem alten Gebäude. Der junge Mann, spätestens jetzt völlig erwachsen, hatte es schon zu einem stattlichen Vermögen gebracht, das weiterhin beständig wuchs. Holz brauchte das Land, und Pfeile brauchten die Schützen. Beides konnte er in Massen liefern, denn eigentlich war es ihm egal, ob die Bäume nachwuchsen oder nicht. Wenn nicht, ging er halt in den nächsten Wald. Das war die Zeit, in der er immer öfter von einer seltsamen Frau heimgesucht wurde, die ihn ermahnte und kritisierte, deren Worte jedoch bei ihm zum einen Ohr rein- und zum anderen wieder rausgingen.
Conradius, zu dem er noch immer Kontakt hatte, meinte, es könnte sich nur um die Dryade Feenwind gehandelt haben, die er besser ernst nehmen sollte. Aber auch diese Mahnungen verfehlten im Grunde ihre Wirkung. Der Holzfäller, und das war er mit Leib und Seele, gelobte Besserung und ging dann gleich wieder an die Arbeit. Er wusste bald nicht mehr, wohin mit seinem Geld und kaufte einen Laden vom König Lavante, auf dass es sich noch mehr häufen möge....

Aber Menschen ändern sich, und wenn sie es nicht von selbst tun, so kann man dem nachhelfen. Bei manchen braucht man nur mehr Zeit und Geduld als bei anderen, wie es auch langwieriger und schwieriger ist, eine Figur aus dem Felsen zu meißeln, statt sie mit Lehm zu formen. Der Waldläufer Conradius hatte es jedenfalls nie aufgegeben, auch aus dem fanatischen Holzfäller und Bogenbauer einen Waldläufer zu machen. Vielleicht war ja auch dies ein Ausdruck seines Starrsinns, und am Ende hatte er Erfolg. Sicher kam es ihm nicht ungelegen, dass der Holzfäller etwas verwirrt aus einer Kerkerhaft in Trinsic zurückkehrte, wo er vom Orden des Hammers festgehalten wurde. Während man dort versucht hatte, ihn mithilfe von Folter und endloser Monologe in seinem Tun zu bestärken und für den Großen Erbauer noch mehr überflüssiges Gewächs zu fällen, entwickelte der Waldläufer nach der Freilassung eine beinahe väterliche Fürsorge für den Holzfäller und predigte beharrlich seine Weisheiten, dass man die Wälder schützen und behüten müsse...

Die Schatten im anderen Zimmer verblassen und lösen sich auf, wenn es auf die Morgendämmerung zugeht. Das ist immer so. Nur einer der Schemen bleibt etwas länger: der Mann, von dem das Haus heute gesprochen hat. Er sitzt noch immer auf demselben Stuhl, aber er sieht nun anders aus. Nach einer Reise in das Fischerdorf seiner Kindheit hat er seine Haare und seinen Bart wachsen lassen- man erkennt ihn kaum wieder. Er hat sich verändert, ja. Nichts war in dem Dorf mehr so, wie er es in Erinnerung hatte.
Lange Jahre hatte er hart gearbeitet und ein Vermögen gespart, um die Eltern in sein eigenes Heim zu holen. Aber er hat sie nicht mehr vorgefunden. Wo das Dorf gestanden hatte, war eine prächtige Hafenstadt aus dem Boden geschossen, mit zahllosen Villen und bunten Märkten. Auf dem Hügel, von dem aus er als Kind in das Land geschaut hatte, thronte nun eine gewaltige Festungsanlage. Nur an den Rändern der Stadt, in den schmutzigen Vierteln zu Füßen der Mauer, dort gab es noch einige der alten Fischerhütten. Und dort war er auch einem der alten Nachbarn begegnet- wohl dem letzten, den es noch gab. Gezeichnet war er von Armut und Krankheit. Er hatte ihm helfen wollen und ihm einen Teil seines Vermögens angeboten, so dass er sich auf der Stelle eine eigene Villa hätte bauen können...., aber der schwache Alte hatte es beinahe garstig abgelehnt. Behalte Dein Geld, hatte er gesagt, Sieh, was es uns gebracht hat!

Das ist nun schon einige Zeit her, und seitdem hallten die Worte in seinem Kopf nach, plagten ihn Tag für Tag, Nacht für Nacht- bis er den endgültigen Entschluss gefasst hatte, Conradius' Lehren Folge zu leisten. Er spendete sein Geld der Kirche, verschenkte seinen Laden an einen jungen Schneider und zog sich vollends in die Wälder zurück. Lange hatte er in ihnen gearbeitet, nun würde er in ihnen wohnen...'

Der Mann am Pult seufzt leise nach all diesen Gedanken, und im Luftzug seines Atems flackert die Kerze noch ein wenig mehr. Sie ist nun fast niedergebrannt.

Wir wissen, dass er all dies gedacht hat, denn die Tinte glänzt noch ganz feucht auf dem Papier, und seine rechte Hand, in der er die alte Feder hält, ist ganz schwarz geworden.
Der verträumte Ausdruck verschwindet langsam von seinem Gesicht, und zurück bleibt nur ein leichter Anflug von Verwunderung, als er feststellt, dass er das ganze Buch vollgeschrieben hat.
Langsam blättert er zur ersten Seite zurück, liest alles noch einmal von vorn. Als er fertig ist, lächelt er. Schließlich ergänzt er den Titel des neuen Werkes: "Mein Leben". Sehr einfach und unspektakulär, aber trotzdem gut. Und bei Autor trägt er "Bogomil" ein. Dann streckt er sich, dass die Knochen knacken, erhebt sich mühsam und stellt das Buch zu den anderen ins Regal.

Wenig später fällt die Tür hinter ihm ins Schloss.

Die Kerze verlischt.

Das Haus dämmert einem neuen Tag entgegen.

Dem nächsten Besucher wird es etwas neues erzählen können. Wenn er nur zuhört...